Freitag, 13. April 2018

Buchrezension: Stina Lund - Preiselbeertage


Inhalt:

Schweden: Das ist für Ariane das Land ihrer Kindheit, das Land mit dem roten Holzhaus ihrer Eltern am See, das Land der Preiselbeeren. Aber auch das Land, in dem sie nie wirklich zu Hause war, anders als ihre pragmatische Mutter und die lebensfrohe Schwester Jolante.
Seit Jahren war Ariane nicht mehr in Schweden. Gleich nach der Schule ist sie nach Deutschland ausgewandert, die ursprüngliche Heimat ihrer Eltern. Die waren nach der Wende aus der DDR nach Småland gezogen und sprachen nur selten von ihrem alten Leben.
Dann bekommt Ariane die Nachricht vom plötzlichen Tod ihres Vaters - und von einem Manuskript, das er ihr vererbt hat. Doch das scheint spurlos verschwunden. Gegen jede Vernunft geht Ariane zurück nach Schweden und hofft, dort endlich herauszufinden, wohin ihr Herz gehört.

Rezension:

Ariane lebt seit elf Jahren in Leipzig, dem Herkunftsort ihrer Mutter Ina und wo auch ihre Großeltern Margarethe und Benno, zu denen sie ein sehr enges Verhältnis hat, und arbeitet dort als Bild- und Videoredakteurin beim MDR. Als ihr Vater Jörg plötzlich stirbt, kehrt sie nach all den Jahren nach Schweden zurück, um neu anzufangen. Zu ihrer Mutter Ina ist das Verhältnis unterkühlt und auch ihrer jüngeren Schwester Jolante fühlte sie sich nie eng verbunden. Jörg hat seinen Töchtern laut Testament ein Manuskript vermacht, das jedoch nicht auffindbar ist. Ina gibt sich ahnungslos, doch Ariane lässt nicht locker. Sie möchte endlich wissen, warum sie sich in Schweden nie heimisch gefühlt hat und ob das Manuskript ihr Aufschluss geben kann.

"Preiselbeertage" ist eine Familiengeschichte, die in der Gegenwart überwiegend in Söderby in Schweden spielt. In Rückblenden erfährt man, was sich Ende der Achtzigerjahre vor der Wende in Leipzig abgespielt hat und wie es dazu kam, dass Ina und Jörg als Republikflüchtlinge in Schweden ein neues Leben angefangen haben.

Die ganze Familie, aber insbesondere die Frauen, haben - geprägt von einem kommunistischen Staat mit wenig Freiheiten und in ständiger Angst vor Stasi und Bespitzelung - Schicksalsschläge verkraften müssen, die das Verhältnis zueinander nachhaltig erschüttert haben.

Ariane ist in einer Familie aufgewachsen, in der nicht viel miteinander gesprochen wurde. Während sie sich mit Jörg gut verstanden hat, war die Verbindung zu ihrer Mutter stets distanziert, fast lieblos.

Die Geschichte wirkt nicht nur durch die gut gezeichneten Charaktere, sondern auch durch die historischen Fakten der deutschen Geschichte, authentisch. Schmerz, Enttäuschung und Verbitterung sind nachvollziehbar dargestellt und als Leser begreift man schnell, dass in der Familie vor allem durch Verdrängung und Schweigen sowie dem Verfall in Opferrollen einiges im Argen liegt. Der Tod von Jörg und das Manuskript, für das er bereits einen Verleger gefunden hatte, sind eine Chance um das Schweigen zu brechen und die Geheimnisse der Vergangenheit auf den Tisch zu legen, um gemeinsam neu anzufangen.

Auch wenn die Geschichte in Teilen vorhersehbar ist und an mancher Stelle nur oberflächlich bleibt, hat mir die emotionale Familiengeschichte, eingebettet in die deutsch-deutsche Geschichte, und vor allem auch bildhafte Beschreibung von Schweden und seiner Natur gut gefallen.


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