Dienstag, 27. Februar 2018

Buchrezension: Julie Courtney Sullivan - All die Jahre


Inhalt:

Nora Flynn ist 21, als sie mit ihrer jüngeren Schwester aus Irland nach Amerika auswandert, um ihrem Verlobten zu folgen und Theresa eine Ausbildung zu ermöglichen. Doch Theresa wird schwanger, und Nora trifft eine folgenschwere Entscheidung. Fünfzig Jahre später hat Nora vier erwachsene Kinder: John, Bridget, Brian und Patrick, ihren Ältesten, der Nora beständig Sorgen bereitet und trotzdem ihr Liebling ist. Theresa lebt als Nonne in einem Kloster, als Patricks Tod die Schwestern nach Jahrzehnten des Schweigens wieder zusammenführt – und sie zwingt, sich mit dem auseinanderzusetzen, was ihr Leben für immer verändert hat.

Rezension:


Die beiden Schwestern Nora und Theresa Flynn wandern von Irland nach Amerika aus. In Boston wartet Noras Verlobter Charlie auf sie, dem sie versprochen ist, jedoch nicht liebt. Während Nora Schwierigkeiten hat, sich in Boston einzuleben und die Hochzeit mit Charlie lange hinauszögert, genießt die 17-jährige Theresa ihre Freiheit und begeht dabei einen folgenschweren Fehler.
Die Schwestern trennen sich im Streit. Nora heiratet Charlie Rafferty und zieht mit ihm vier Kinder groß, zu Theresa, die sich für ein Leben im Kloster entschlossen hat, hat sie kaum Kontakt, bis dieser Ende der 50er-Jahre ganz abbricht.

Nora und Theresa sehen sich erst 2009 bei der Beerdigung von Noras ältestem Sohn und Liebling Patrick wieder.

"All die Jahre" beginnt mit dem Unfalltod des 50-jährigen Patrick und endet mit dessen Totenwache und Beerdigung im Jahr 2009. Nora sieht sich dadurch mit den Ereignissen der Vergangenheit konfrontiert und lädt zu diesem Anlass ihre jüngere Schwester Theresa ein, von der ihre Kinder bislang nichts gewusst haben.

Es folgt ein Rückblick in die 50er-Jahre wie die beiden Schwestern ausgewandert sind und welche Ereignisse dazu geführt haben, dass sich Nora und Theresa entzweit haben.
Der Roman ist überwiegend aus den Perspektiven von Nora und Theresa geschrieben, die beide auf ihr Leben zurückblicken, als sie vom Tod Patricks erfahren. Daneben erhält man auch einen Einblick in die Biographien von Noras Kindern, die sich auf den Weg zur Totenwache und Beerdigung machen.

In der Familie Rafferty wurde vieles unter den Teppich gekehrt. Nora ließ ihrem ältesten Sohn Patrick alles durchgehen, obwohl er das schwierigste von allen Kindern war. Gerade die beiden nachfolgenden Kinder John und Bridget fühlten sich ungeliebt und empfanden Nora als herzlos. Der Nachzügler Brian, der zu seinem großen Bruder Patrick aufblickte, hat ein etwas entspannteres Verhältnis zu Nora.

Nora hadert Zeit ihres Leben mit ihrem Schicksal. Erst kümmert sie sich um ihre kleine Schwester Theresa, nachdem die eigene Mutter so früh gestorben ist, dann geht sie unfreiwillig nach Amerika, wo sie einen Mann heiraten muss, den sie nicht liebt. Die Geburt von Patrick wenige Monate nach ihrer Hochzeit mit Charlie wirft einen Schatten auf ihre streng katholische Lebenseinstellung. Sie trifft Entscheidungen, deren Konsequenzen sie ihr ganzes Leben nicht loslassen, von denen sie nicht weiß, ob sie richtig oder falsch gehandelt hat oder ob es überhaupt einen Königsweg gegeben hätte. Das Verhältnis zu ihrer Schwester, die ihre Lebensaufgabe und ihr Glück später in einem Kloster in Vermont finden wird, zerbricht daran. Unausgesprochene Schuldzuweisungen, eine Flucht in die Opferrolle und die damit einhergehende Unzufriedenheit prägen Noras Leben.

In der Familie wird wenig miteinander gesprochen, die Kinder suchen nach Anerkennung, die sie bis auf Patrick von ihrer Mutter nicht bekommen. Geheimnisse und Spannungen sind allgegenwärtig, im Erwachsenenalter distanzieren sich John und Bridget einerseits emotional von Nora, wollen ihr andererseits aber dennoch gefallen.

Der Roman zeigt, welche Auswirkungen eine einzige Entscheidung auf ein Leben haben kann und wie die Konsequenzen davon noch auf die nachfolgende Generationen Einfluss haben können. Erst als ein Familienmitglied stirbt, besteht die Chance auf eine Aussprache zwischen den Schwestern und auf eine offene Erklärung von Nora, die ihren Kindern weiterhelfen würde, warum ihre Mutter so gehandelt hat.

Es ist eine spannende, tragische Familiengeschichte, bei der die Geheimnisse nach und nach ans Tageslicht kommen und man als Leser nur darauf wartet, dass spätestens an der Beerdigung die aufgeladene Situation eskalieren lässt. Am Ende bleibt offen, wie viel die beiden Schwestern der nachfolgenden Generation erklären werden, ob sie jedes Geheimnis lüften, um ihr Gewissen zu beruhigen oder aus Scham einen einfacheren Weg gehen und manches Detail aus der Vergangenheit lieber verschweigen. Die Autorin gibt dem Leser die Möglichkeit gibt, sich seine eigenen Gedanken zu machen. 



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