Samstag, 10. Dezember 2016

Buchrezension: Liane Moriarty - Vergiss ihn nicht

Inhalt:

"1998?" Die Ärztin sah sie besorgt an. »Sind Sie da ganz sicher?" "Ja, natürlich", antwortete Alice. "Ich weiß das, weil mein Kind am 8. November 1998 zur Welt kommen soll." "Die Sache ist nur die", sagte die Ärztin langsam, "wir haben schon das Jahr 2008." Durch einen Sturz hat Alice kurzzeitig das Bewusstsein verloren und offenbar jegliche Erinnerung an die letzten zehn Jahre ihres Lebens. Ist sie etwa nicht 29, wahnsinnig glücklich mit ihrem Ehemann Nick und schwanger mit ihrem ersten Kind? Nein, sie ist natürlich schon 39, hat bereits drei Kinder und ihre Ehe - naja! Doch Alice ist entschlossen, die Zeit zurückzudrehen. Ein umwerfender Roman: anrührend, echt, liebenswert!


Rezension:

Alice Love ist 39 Jahre alt, als sie unglücklich im Fitnessstudio stürzt und aufgrund ihrer Kopfverletzung an Amnesie leidet. Sie ist überzeugt, dass es 1998 und sie, verliebt und frisch verheiratet mit Nick, schwanger mit ihrer ersten Tochter, der "Rosine", ist. Tatsächlich ist es zehn Jahre später, Alice und Nick haben sich kürzlich getrennt und befinden sich in einem Sorgerechtsstreit um die drei gemeinsamen Kinder.

Alice ist entsetzt über ihr Leben, das sie sich so nicht vorgestellt hat. Die gereifte Alice, sie sportlich und sehr gesundheitsbewussst lebt, sich in ihrer Freizeit in den Schulen ihrer Kinder engagiert und diese zwar fürsorglich, aber sehr streng und mit einem tagesfüllenden Programm erzieht, kann sie selbst nicht leiden. Auch ihre "Freundinnen" und Mütter der Mitschüler ihrer Kinder sind ihr überwiegend zuwider.

Sie möchte nichts sehnlicher, als den Streit mit Nick beenden, dessen Grund sie gar nicht kennt und ein alltägliches Familienleben zusammen mit den drei Kindern führen, die ihr noch völlig fremd sind. Vor allem mit der ältesten Tochter Madison scheint es ungelöste Konflikte mit der heutigen Alice zu geben, die diese auf die sich immer noch wie 29-jährig fühlende Alice überträgt.

Als Alice sich auch noch bewusst wird, dass sie eine Beziehung zu dem netten, aber eher langweiligen Schuldirektor ihrer Kinder eingegangen ist, begreift sie, dass sie alles dafür tun muss, ihre Ehe mit Nick zu retten. Der scheint jedoch zutiefst enttäuscht von Alice zu sein.
Ihr vergangenes Leben versucht sie mit Hilfe ihrer Schwester Libby aufzudecken, bis ihre eigenen Erinnerungen ganz langsam zurückkehren.

"Vergiss ihn nicht" hatte meiner Meinung nach eine zu lange Einleitung, in welcher Alice erst erklärt werden musste, dass zehn Jahre ihres Lebens aus ihrem Gehirn gelöscht sind. Weiterhin wurden ihre Ängste um das Kennenlernen mit ihren drei Kindern und die Tatsache, dass sie von ihrem Ehemann getrennt lebt, breit vor der eigentlichen Begegnung nach knapp 300 Seiten thematisiert.

Durchhaltevermögen ist gefragt, aber dann entwickelt sich eine liebenswürdige Geschichte um die eigentlich sympathische Alice, welche Fehler sie in der Vergangenheit gemacht hat, und ob sie es schafft, dies wieder zu korrigieren. Dabei wird sie zwangsläufig mit allerlei komischen als auch tragischen Situationen und Erinnerungen konfrontiert.

Der Roman ist aus Sicht von Alice geschrieben, bezieht allerdings auch die Perspektive ihrer Schwester Elizabeth, genannt Libby, mitein, die sich in Tagebucheinträgen an ihren Psychotherapeuten öffnet sowie die Pflege-Großmutter Frannie, die einen Blog betreibt, auf welchem sie über ihr Leben und das ihrer beiden "Enkelinnen" Alice und Libby berichtet, um dich sie sich seit deren Kindheit kümmert, als der Vater verstorben ist und die Mutter mit der Situation und der Erziehung ihrer Töchter überfordert war.

Berührt haben mich vor allem auch die Reflexionen von Libby, deren Leben sich aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches nur noch um IVF-Zyklen, Spritzen und Arzttermine dreht. Sichtlich überfordert nach zahlreichen Fehlgeburten und der sinkenden Wahrscheinlichkeit, in ihrem Alter doch noch schwanger zu werden, möchte sie nach einem Nervenzusammenbruch die Kinderwunschbehandlung einstellen.

"Vergiss ihn nicht" ist ein unterhaltsamer und gleichzeitig bewegender Roman über Liebe und Familie, der thematisiert, wie man sich im Alltagstrott über die Jahre verändert und beschreibt den Weg zweier Frauen auf der Suche zu sich selbst.


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