Samstag, 11. Juni 2016

Buchrezension: Andreas Izquierdo - Romeo und Romy

Inhalt:

Romy könnte eine große Schauspielerin sein, aber niemand sieht sie, denn sie ist nur die Souffleuse. Aber auch das nicht lange, denn nach einem harmlosen Flirt mit Hauptdarsteller Ben, dessen einzige schauspielerische Glanzleistung sein Auftritt als »Frischedoktor« in einem Waschmittelspot ist, wird sie gefeuert. Und Ben kurz nach ihr.
Romy kehrt zurück in ihr winziges Dorf, um dort ihr Erbe anzutreten. Hier leben nur noch Alte. Und die haben sich in den Kopf gesetzt, rasch das Zeitliche zu segnen, denn auf dem Friedhof sind nur noch zwei Plätze frei. Wer da zu spät kommt, muss auf den Friedhof ins Nachbardorf. Und da gibt es – wie jeder weiß – nur Idioten.
Romy schmiedet einen tollkühnen Plan: Sie will mit den Alten ein elisabethanisches Theater bauen. Aus der gammeligen Scheune hinter ihrem Hof. Und mit ihnen Romeo und Julia auf die Bühne bringen. Sie haben kein Geld, keine Erfahrung, aber einen Star: Der »Frischedoktor« soll Regie führen! Ben ist begeistert: Regisseur! Das könnte unter Umständen der erste Job werden, den er nicht voll gegen die Wand fährt ..

Rezension:

Romy hat gerade ihren Job als Souffleuse an einem Theater verloren und kehrt anlässlich der Beerdigung ihrer Großmutter Lene in ihren Heimatort Großzerlitsch im Erzgebirge zurück. Nach dem frühen Krebstod ihrer Mutter als Romy sechs Jahre alt war, ist sie von ihrer Oma und allen übrigen Dorfbewohnern groß gezogen worden.

Großzerlitsch liegt abgelegen in Sachsen an der Grenze zu Tschechien und wird ausschließlich von Senioren bewohnt. Da der Platz auf dem Friedhof begrenzt ist, und nach dem Tod von Oma Lene nur noch zwei Grabstätten frei sind, werden die alten Leute nervös und v sich klammheimlich umzubringen.
Romy durchschaut die zum Teil dilettantischen Selbstmordversuche und möchte den alten Menschen, die sie in ihr Herz geschlossen hat, eine Aufgabe geben. Nicht ganz uneigennützig beschließt sie, aus der alten Scheune auf dem Grundstück ihrer Großmutter ein elisabethanisches Theater zu bauen. Ohne Erfahrung und ausreichend Kapital wagt sich die gesamte Dorfgemeinschaft an das Projekt und möchte nach Fertigstellung "Romeo und Julia" aufführen.

Romy träumt davon, endlich nicht mehr als Souffleuse in den Katakomben zu sitzen, sondern die Hauptrolle zu spielen. Romeo soll ihr ehemaliger Kollege Ben sein, für den sie schwärmt, es sich aber nicht eingestehen kann. Ben findet allerdings das Spiel von Bella und Karl als "Römeö und Julia" so charmant, dass sie die Hauptrollen erhalten.

Überraschend taucht Romys Vater aus Russland auf, den sie nie kennengelernt hat und dann gilt es auch noch die DDR-Vergangenheit anhand des seit über 40 Jahre währenden Streits zwischen Hilde und Bertha aufzuklären. Viele weitere Hürden warten nur darauf umschifft zu werden, bis endlich das Theater steht und die Premiere des Stücks bevorsteht.

Andreas Izquierdo hat ein großes erzählerisches Talent und schafft es nach "Der Club der Traumtänzer" erneut, eine liebenswerte Geschichte zu erzählen.
Solche nahezu ausgestorbenen Orte wie das fiktive Großzerlitsch dürfte es in ländlichen Regionen angesichts der Landflucht junger Menschen immer häufiger geben. Die Alten in "Romeo und Romy" sind eine Gemeinschaft aber doch allein. Sie sind zum Teil verwitwet, kinderlos oder die erwachsenen Kinder samt Enkelkinder weit weg. Das hat sie über die Jahre schrullig werden lassen und sie erwarten nichts mehr vom Leben. Durch den Theaterbau ändert sich dies schlagartig, sie entwickeln einen neuen Ehrgeiz, beweisen sich in ihren erlernten Handwerksberufen und sind sogar in der Lage, ein Theaterstück einzustudieren. Leider überfordert sich der ein oder andere ohne Rücksicht auf seine Gesundheit und Konstitution zu nehmen. Romy aber wieder frischen Wind in das Dorf und erhält nach ihrer Entlassung selbst wieder eine Aufgabe, die sie herausfordert.

Izquierdo lässt in seinem Roman wieder Träume wahrwerden - da muss man über die ein oder andere weniger realistische Wendung oder überzogene Verhaltensweisen der Protagonisten hinwegsehen. "Romeo und Romy" ist keine Liebesgeschichte, wie der Titel vermuten lässt, sondern ein tragi-komischer Roman über ein Projekt, das letztlich nur entstehen konnte, da alle in der Gemeinschaft für einander eingestanden sind.



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